Tutto Bene im Ennstal

Benissimo Catering der Lebenshilfe Ennstal setzt auf die individuellen Stärken von Menschen mit Behinderungen und zeigt dabei, wie Inklusion allen Beteiligten, auch Gästen und Kunden, viel bringt.

Text: Michael Rathmayr

In der Küche des Benissimo herrscht gemäßigter Hochdruck, wenn es so etwas denn gibt. Es ist Donnerstagvormittag – rund 300 frisch gekochte Essen müssen in den nächsten Minuten eingeboxt werden, damit sie zeitgerecht und warm auf den Mittagstischen in der Umgebung landen. Zur Wahl stehen heute Champignons mit Sauce Tartare und Salat oder Fleischspieße mit Risipisi. Die Fritteuse ist knallheiß, bereit für die erste Charge Schwammerl. Sonja Zettler, 20 Jahre und in ihrem vierten Lehrjahr, füllt derweil die schmackhafte Rindssuppe ab, ihr Kollege Albert Luttenberger kümmert sich ums Verladen der fixfertigen Spieße. Lukas Duhs ist bereits mit dem Obstschneiden fürs morgige Dessert beschäftigt. Und Harald Rohrauer, 61, kümmert sich wie schon seit Jahren auch heute um den Abwasch. Im Benissimo, mitten im steirischen Liezen, wird, wie in Gastroküchen üblich, phasenweise unter Spannung und, weniger gängig, inklusiv gekocht: Hier sind Menschen mit Behinderungen beschäftigt, die am so genannten ersten Arbeitsmarkt vorerst keine Chance haben.

Sensorische Vielfalt, Interaktion

Bei Stress sei es wichtig, sagt Lukas Duhs, schnell zu arbeiten, alles der Reihe nach zu machen. Der 26-jährige begeisterte Judoka (Braungurt) lebt mit seinem Zwillingsbruder Elias in einer WG der Lebenshilfe in Liezen. Die beiden haben Trisomie 21, Down-Syndrom. Elias arbeitet im Gartenbau, Lukas zog es immer schon in die Küche. Auf seine Gewürzmischungen ist Verlass, man kennt sie durch Benissimo im halben Ennstal. Zuhause kocht er gerne asiatisch, bei der Arbeit geht es dagegen eher mit europäischem Kolorit zur Sache. „Der Umgang mit Lebensmitteln greift alle Sinne an“, sagt Gertrude Rieger, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Ennstal. Sensorische Vielfalt, die neben der sinnstiftenden Arbeit und der Wertschätzung zum Erfolgskonzept von Benissimo zählt. Dazu herrscht in der Gastronomie naturgemäß viel Interaktion – mit den anderen Mitarbeitern und im Service auch mit den Gästen. Unter Rücksichtnahme auf die Stärken und Schwächen der Klienten lasse sich effizient und mit Freude arbeiten, so Rieger. Ähnlich sieht das auch Rene Peuerl, Koch und Praxisbegleiter im Benissimo, der gerade zwischen Fritteuse und Packliste für die Transportboxen zugange ist: Mitspracherecht haben alle – auch beim Speiseplan und bei den Abläufen, regelmäßige Reflexion. Die Aufgaben müssten dann, wenn es zur Sache geht, aber klar verteilt sein. So laufe alles rund in der großen Küche im Liezener Haus der Inklusion.

Gut aufgestellt

Benissimo, das 2013 als Tochterfirma der Lebenshilfe gegründete Cateringunternehmen, beliefert deren Werkstätten und Wohnhäuser in Stainach, Liezen und Rottenmann – auch Schulen, Kindergärten, Firmen und Privatpersonen in der Region werden mit Mittagstellern versorgt. Dazu kommen Schulbuffets und individuelle Caterings, ganz nach Kundenwunsch. Im Haus der Inklusion wird außerdem ein öffentlicher Speisesaal bespielt. Die Stammgäste am zentral platzierten Seniorentisch sind inzwischen auch bei der Weihnachtsfeier der Lebenshilfe Ennstal dabei. Ende 2022 wurde zwei Gehminuten weiter das sowiedu Bistro & Shop eröffnet. Das Frühstück und die hausgemachten Mehlspeisen dort sind mittlerweile stadtbekannt. Von Küche bis Service sind auch im sowiedu Menschen mit Unterstützungsbedarf beschäftigt.

Inklusives Angebot

Die Lebenshilfe Ennstal ist ein gemeinnütziger Verein, im Benissimo wird „gewinnorientiert, aber nicht auf Gewinnmaximierung hin“ gearbeitet. „Der größte Benefit für uns ist, dass wir hochwertige und sinnvolle Arbeitsplätze für Menschen mit Handicaps schaffen können“, sagt Gertrude Rieger. Gerade um den Wert der Arbeit zu unterstreichen, sei es wichtig, die Leistungen zu marktüblichen Preisen anzubieten. Der Slogan „Catering mit dem sozialen Etwas“ zeige den entscheidenden Unterschied auf, ergänzt Hans-Peter Gruber, Vater von Lukas und Elias, der die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Kultur leitet. Die Küche des Benissimo ist jedenfalls voll ausgelastet. Größtes Catering-Unterfangen ist das Narzissenfest im Ausseerland. Man ist mit 40 Mitarbeitern dort, bis zu 700 VIP-Gäste werden bewirtet. Ein prestigeträchtiger Auftrag, samt großer Wertschätzung fürs Benissimo-Team – und ein einmaliger Multiplikator und Garant für Folgegeschäfte außerdem. Man sei, ganz der Inklusion verpflichtet, aber stets bemüht, allen ein gutes Angebot zu liefern. Auch die Mindestpensionistin solle, so Gertrude Rieger, „bei uns ein passendes Catering für ihre Familienfeier finden“. Über die Zeiten von „kauft man ihnen halt etwas ab“ sei man glücklicherweise längst hinweg. „Unsere Kunden bezahlen ja fürs Essen. Sie erwarten mit Recht, dass es schmeckt und alles passt.“

"Der Umgang mit Lebensmitteln greift alle Sinne an."
Gertrude Rieger, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Ennstal

Außenwirkung

Als wichtigen Faktor in Sachen Inklusion sieht man bei der Lebenshilfe Ennstal auch die Schulbuffets an. Durch die Beschäftigung von Mitarbeitern mit Behinderungen würden auch die Schüler dort früh ans inklusive Miteinander gewöhnt. Wenn eine Schülerin später einmal ihr eigenes Unternehmen gründet, dann findet sie, so die Idee, gar nichts dabei, auch Menschen mit Unterstützungsbedarf zu beschäftigen. Zwei der bei Benissimo ausgebildeten Lehrlinge in Küche und Service hat man direkt übernommen, die anderen wurden an die Gastronomie in der Region vermittelt. „Wir kennen die Stärken und Schwächen unserer Klienten ganz genau. Mit unseren Coaches finden wir die Betriebe, die am besten zu ihnen passen“, so Rieger. Der 17-jährigen Teona Torcea, seit einem Jahr im Service des Benissimo Speisesaals, gefällt es, sich mit den Gästen auszutauschen, beim Servieren und Kassieren Verantwortung zu übernehmen. Parallel läuft die Berufsschule, später will sie in einem Restaurant im Service arbeiten. Es macht den Eindruck, als würden die Grenzen zwischen Klienten und Mitarbeitern der Lebenshilfe im Benissimo unscharf. Gut so, meint Gertrude Rieger: „Wir sollten bei unseren Lehrlingen und Küchenhilfen im Benissimo im Grunde nicht mehr von Klienten oder Kunden sprechen, sondern schlicht von Kolleginnen und Kollegen.“

"Unser Slogan 'Catering mit dem sozialen Etwas' zeigt den entscheidenden Unterschied auf."
Hans-Peter Gruber, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Kultur

© Michael Rathmayr

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