„Tun wir es auf ein Radl“

Die Suppen, Eintöpfe, Currys und Salate im Einmachglas, die über die Theke des Futterkutters gehen, haben in Innsbruck schon viele Einheimische und Touristen überzeugt.

Text: Theresa Kleinheinz

 

Pünktlich zur Mittagszeit bildet sich eine Menschentraube vor dem Lastenfahrrad von Martin Schümberg und Georg Waldmüller. Nach knapp vier Jahren ist ihr Futterkutter aus dem Innsbrucker Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Denn der mobile Take-away-Stand am Franziskanerplatz zwischen Museumstraße und Hofburg zieht an Wochentagen viele Gäste an. Doch ursprünglich hatten die beiden jungen Männer etwas anderes geplant: „Ich wollte eigentlich eine Bar aufmachen“, sagt Georg Waldmüller. „Und Martin wollte wieder kochen. Dann haben wir gesagt, vielleicht finden wir etwas, wo wir beide glücklich werden.“ Ein Bistro mit Vorbereitungsküche „aus dem Topf und vom Blech“ sollte es werden – doch der Vertrag platzte kurzfristig. Nach einigem Hin und Her und einer Flasche Wein kam Georg Waldmüller die Idee: „Tun wir es auf ein Radl.“

Langer Weg

Mit diesem Vorschlag fing die eigentliche Arbeit erst an. Neben dem Lastenfahrrad mit der passenden Ausstattung musste der richtige Platz gefunden werden. Die Stadt vermietet den prominenten Ort in der Innsbrucker Innenstadt, doch gleichzeitig ist ein solches städtisches Projekt mit vielen Auflagen verbunden: „Das Fahrrad muss das Gleiche können wie unsere Küche“, erklärt der Gastronom. Kühlung, Induktionsfelder, Handwaschbecken, Feuer­löscher und einiges mehr sind vorgeschrieben. Nachdem schließlich noch die Frage des Stroms gelöst worden war, indem man ans dahinterliegende Franziskanerkloster andocken konnte, vergingen von der Idee bis zu dem Zeitpunkt, als der „Kutter“ im Oktober 2018 zum ersten Mal dort Halt machte, fast zweieinhalb Jahre. Doch wo wird eigentlich gekocht?

Zugängliche Ghost Kitchen

Unweit des Innsbrucker Hauptbahnhofs konnten die beiden eine Küche einrichten. „Es ist eine Ghost Kitchen, wie man das heutzutage nennt. Obwohl wir sie nicht so behandeln wollen, weil wir die Leute für unseren Kochkurs dahin einladen“, erzählt Georg Waldmüller. Während die Aufgaben zu Beginn noch für die beiden allein bewerkstelligbar waren, ist das Team inzwischen auf sieben Personen angewachsen. Denn mittlerweile gibt es einen zweiten Futterkutter in der Maximilianstraße, das Essen kann bei der Küche abgeholt werden und zudem wird ein Lieferservice angeboten. Für das Küchenteam, bestehend aus Chefkoch Martin, Souschef Tom und Koch Fredo, beginnen die Wochentage gegen halb neun mit der Vorbereitung. Georg Waldmüller springt ein, wo Not am Mann ist, und ist für die Organisation verantwortlich.

Ausgefeiltes Konzept

Über 200 verschiedene Gerichte sind bereits über die Theke des Futterkutters gegangen. Montag bis Freitag werden täglich je ein vegetarisches, ein veganes und ein Fleischgericht angeboten. Jedes gibt es nur einmal im Monat, saisonal angepasst. An heißen Tagen ist meist der Salat am beliebtesten. Doch wer glaubt, dass sich Suppen, Eintöpfe und Currys im Sommer nicht verkaufen, liegt falsch. Das Repertoire reicht von Berliner Kartoffelsuppe über marokkanischen Kichererbseneintopf bis hin zu burmesischem Curry. Die Zutaten werden wo immer möglich aus der Region bezogen. „Bei manchen Sachen müssen wir leider auf weiter weg zurückgreifen, weil wir internationale Küche anbieten wollen und die Abwechslung schätzen“, erklärt Waldmüller. Angeeignet haben sie sich diese Vielfalt durch Kochkurse rund um die Welt.


Starkes Markenzeichen

So unterschiedlich die Gerichte sind, eines haben sie gemeinsam: Sie werden in Einmachgläsern serviert. „Wir wollten das nur unter der Voraussetzung machen, dass wir kaum Müll produzieren“, so Waldmüller. Selbst hätten sie es als Arbeiter in der Innenstadt allzu oft erlebt: „Du holst dir etwas zu Essen im Supermarkt oder am Imbissstand und der Mülleimer füllt sich bis oben hin.“ Zu den Einmachgläsern wird ein Metalllöffel gereicht – insgesamt gegen zwei Euro Pfand. Martin Schümberg rechnet nach: „Mittlerweile müssten rund 8.000 Gläser im Umlauf sein.“ Sie können im Gegensatz zu Plastik- oder Kartonverpackungen zu Hause weiterverwendet oder zurückgebracht werden. „Uns geht es nicht nur darum, dass es nachhaltig ist, sondern schmecken soll es auch. Und das sind Materialien, die geschmacksneutral sind“, erklärt Waldmüller die Beweggründe. Mittlerweile sind die Einmachgläser auch zum Markenzeichen von Futter­kutter geworden.

 

Spannende Zukunft

Das Risiko, das das Duo mit ihrem Futterkutter anfangs eingegangen ist, war es im Rückblick wert. „Der Futterkutter an sich ist ein fertig gedachtes Ding. Da geht’s um die Atmosphäre am Stand, um dieses Glas. Darum, dass die Leute am Franziskanerplatz sitzen bei schlechtem Wetter und bei gutem Wetter. Da geht’s um die Leute in der Schlange, die sich miteinander unterhalten“, so Waldmüller. Ob er den Kutter durch ein Bistro ersetzen würde? „Eintauschen auf keinen Fall. Erweitern vielleicht schon“, sagt er. Man darf also gespannt sein, was den beiden kreativen Köchen noch einfällt.

© Franz Oss, Axel Springer

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