Von großen und kleinen Stinkern

Bernhard Wildauer produziert seit 30 Jahren Käse. Warum er dabei immer wieder Neues lernt, wieso Produkt- und Markennamen wichtig sind und Regionalität sowie hohe Qualität immer größere Bedeutung bekommen, erzählt er im Gespräch mit Eurogast Insights.

Text: Haris Kovacevic

Jeden Tag macht vor dem Hof von Bernhard Widauer in Kirchdorf ein Laster der Tirol Milch halt: „Wie viel darf’s heut sein?“, heißt es dann von hinter dem Lenkrad. „1.500 reichen, danke!“ Der Fahrer manövriert das Fahrzeug dann geschickt in die Passage hinter dem Hof. 

Seit über 30 Jahren produziert Bernhard Käse – seit 2009 am 500 Jahre alten Familienhof, den er extra aus Ellmau hat umsiedeln und mit einer modernen Käserei ausstatten lassen: „Meine Frau kommt von hier, deswegen haben wir uns für diesen Ort entschieden. Und ich finde es auch sympathisch, so wie es ist. Denn einerseits zeigt der Hof, dass uns Tradition wichtig ist, andererseits verlangt das Käserhandwerk eine gewisse Moderne, damit es gut, richtig und effektiv ausgeübt wird.“ Zusammen mit seiner Frau produziert, verpackt und verkauft er den Käse in Gasteig, einem Ortsteil von Kirchdorf bei St. Johann in Tirol. Außerdem führt er einen eigenen Bauernladen in Ellmau.

"Einerseits zeigt der Hof, dass uns Tradition wichtig ist, andererseits verlangt das Käserhandwerk eine gewisse Moderne."
Bernhard Widauer, Käser

Einzigartig und speziell

„Regionalität, Frische und hohe Qualität sind mir bei allen Produkten, die ich meinen Gästen anbiete, wichtig“, erklärt Bernhard. Speck von einem befreundeten Metzger, Bier aus einer lokalen Brauerei, selbstgemachte Säfte, Liköre und einige ausgewählte Käsesorten, teils aus Eigenproduktion, teils angekauft aus benachbarten Käsereien stehen im Sortiment. „Wenn Leute kommen, wollen sie etwas bekommen, das es nur hier gibt – also etwas Spezielles“, erklärt der Experte, „ich habe schon früh gelernt, dass man sich spezialisieren muss.“ Daher auch seine Entscheidung, Weichkäse zu machen – „damit waren wir damals so ziemlich die einzigen“, sagt der Käser. Bis zum letzten Jahr hießen seine Hauptprodukte noch Alpenweichkäse und Bergcamembert. 

Mittlerweile produzieren auch andere Käsereien in Tirol Weichkäse. Seine Einzigartigkeit ist aber die Spezialisierung: „Nur drei Prozent der Milch in Europa ist Heumilch und ich nehme nur die her.“ Auf etwa 65 Grad erhitzt, kommt diese in einem zweiten Schritt in den Käsefertiger, um weiterbearbeitet zu werden – die Besucher des Wilden Käsers bekommen jeden Schritt davon mit.

"Wir wollen guten Käse produzieren und kein Massenprodukt."
Bernhard Widauer

Ein Fenster zur Käsewelt

Neben Bildschirmen, die über die Käseproduktion, das Leben am Land, die Landwirtschaft im Allgemeinen und die Umsiedlung eines ganzen Hofes von einem Ort zum anderen informieren, veranstaltet Bernhard Widauer auch regelmäßig Führungen und Vorträge für all seine Gäste: „Vielen Leuten ist das hiesige Leben völlig unbekannt und es ist für sie sehr spannend, wie ein Laib Käse entsteht oder wie die Milch aus dem Kuheuter den ganzen Weg ins Supermarktregal findet – hier können sie all das miterleben.“ 

Außerdem dürfen die Gäste durchs Schaufenster in seine Käserei lugen und beobachten, wie der Käse verarbeitet wird, nachdem Milchsäurebakterien hinzugefügt wurden und der Käse eingelabt worden ist. „Danach geht es ans Schneiden mit einer Vorrichtung mit feinen Drähten, die Käsestückchen in der Molke in Walnussgröße tranchiert“, sagt Bernhard. Weniger sei dabei mehr – schneidet man zu viel, entstehe sogenannter „Staub“, was dem Käse nicht guttue. Ganze vier Stunden nimmt das im Tag von Bernhard Widauer in Anspruch. „Wir wollen guten Käse produzieren und kein Massenprodukt. Das ist mir persönlich ganz wichtig.“ Etwa 800 Käselaibchen entstehen hier auf diese Weise tagtäglich.

"Ich finde es toll, dass in Restaurants, im Handel und in Hotels mittlerweile auf qualitativ hochwertige Produkte aus der Region gesetzt wird."
Bernhard Widauer

Ein Best-of der Region

Wenn er eine Sache nach 30 Jahren als Käser gelernt hat, dann sei es die: „Man lernt nie aus.“ Immer wieder finde sich etwas, das man besser machen kann. Ein kleiner Schritt in der Produktion, eine Zutat, ein bestimmter Trick – oder auch ein Trend, wie zum Beispiel das Affinieren, bei dem dem Käse Kräuter hinzugefügt werden, die ihn aromatischer machen. „Im Sommer entsteht bei uns so ein sehr beliebter Käse mit kräftigen Kräutern aus dem Brixental.“ Mal abgesehen davon, so der Experte, dass der Käse im Sommer grundlegend ein anderer sei als jener im Winter – denn die Tiere seien im Sommer auf der Alm und bekämen ganz anderes Futter –, sei das eine weitere Besonderheit, die er kennengelernt habe und die vermutlich irgendwann von einem anderen Trend abgelöst werden wird. An der Theke bieten Bernhard und seine Frau ihre Produkte und einige andere regionale Spezialitäten feil: Von Berg- und Schnittkäse über Butter, Schnäpse, Tees, Molkeprodukte, Honig und Marmeladen gibt es bei Bernhard nichts, was es in der Region nicht gibt.

Gäste sind zu einem kleinen Teil Besucher aus der Nähe, die guten, lokalen Weichkäse kaufen wollen, Touristen, die sich auf der Durchreise den Wilden Kaiser ansehen und beim Wilden Käser stehen bleiben, aber meistens sind es Bustouristen, die hier haltmachen und sich einen kleinen Einblick in die unendliche Welt der Käseherstellung verschaffen wollen. Das Besondere: Die Produkte, die hier entstehen, können sie auch gleich verkosten. „Wir sind kein Restaurant, aber essen kann man bei uns trotzdem“ – kalte Kost, ein Best-of aus dem Hause Wilder Käser.

Alles in einem

Fragt man Bernhard Widauer, was genau seine Aufgabe im Betrieb ist, schaut er belustigt in die Gegend: „Ich bin Geschäftsführer, Hausmeister, Käser, Bedienung, Touristenführer und Abwäscher, einfach alles in einem.“ Niemand kenne die Käserei so gut wie er und niemand könne so viel darüber erzählen. Das wissen die Zigtausenden Gäste zu schätzen, die Kirchdorf jährlich besuchen und auch beim Käser vorbeischauen, das wisse mittlerweile aber auch Eurogast und damit ein immer breiter werdender Kreis in der Gastronomie und Hotellerie zu schätzen. 

„Ich finde es toll, dass in Restaurants, im Handel und in Hotels mittlerweile auf qualitativ hochwertige Produkte aus der Region gesetzt wird.“ Früher sei das nicht so gewesen und man konnte als kleiner Produzent von einer Listung bei Großhändlern nur träumen – die Zeiten hätten sich dahingehend aber geändert. 

Apropos geändert: Vor Kurzem hat Bernhard Widauer die Verpackung seiner zwei geliebten Weichkäse geändert – sie ist nun zu 90 Prozent recycelbar. Außerdem ist das Design einfacher, schlichter geworden und der Osttiroler Künstler Hans Salcher hat den Schriftzug für den Produktnamen entworfen. Alpenweichkäse und Bergcamembert? „Nein“, lacht Bernhard Widauer, „die heißen jetzt Großer Stinker und Kleiner Stinker. Das merkt man sich einfach viel besser. Und außerdem stimmt es wirklich – sie stinken. Aber das soll auch so sein.“

Zusammen mit Ehefrau Margit betreibt Bernhard
die Schaukäserei in Kirchdorf bei St. Johann.

© Franz Oss

Mehr aus der
Welt von eurogast.

Smarte Bedienung
Immer mehr Gastronomiebetriebe setzen neben den menschlichen Mitarbeitern auch auf maschinelle. Im Saunarestaurant der Alpentherme Ehrenberg und in der Schlosswirtschaft Herrenchiemsee gehören Roboterkellner schon längst vollständig zum Personal.
Am Zapfhahn der Zeit
Die Geschichte des Bierbrauens blickt auf eine jahrtausendealte Tradition zurück. Unter dem Begriff Craftbeer hat sich der Gerstensaft in der heimischen Gastronomieszene einen neuen Namen gemacht – in all seinen geschmacklichen Varianten.
Eurogast Österreich im Aufwind
Eurogast Österreich steigert Umsatz um mehr als 25 Prozent und investiert 2024 kräftig in die Bereiche Nachhaltigkeit, Regionalität und Digitalisierung.
Über den Tellerrand
Ein Treffen mit Maria Fanninger und Hannes Royer, Initiatoren des Vereins „Land schafft Leben“, 
der für Transparenz in Österreichs Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sorgt und damit die Eigenverantwortung von Konsumenten fördern will.
Küchenfee
Wenn man mit der Küchenchefin des Goldenen Adlers über ihre kulinarische Welt spricht, hört man vor allem Lob über ihr engagiertes Team. Uns gewährt Madlen Hackl interessante Einblicke in ihre Erfahrungen mit renommierten Hauben-Köchen und exquisiten Michelin-Restaurants.
Alte Schule
„Wenn’s der Mama schmeckt, schmeckt es allen“: Im Grazer Restauraunt Vina kocht die 82-jährige Vietnamesin Thi Ba Nguyen für ihre und andere Kinder jeden Alters.